vom 23.06.12
Mal wieder Wahlen. Mal wieder Legitimationsbeschaffung und Trennung von dieser von politisch-programmatischen Inhalten. Die unglaubliche Propaganda der EU-Institutionen, allem voran auch deutscher Politiker wie Merkel und Schäuble, mit Kombination wirtschaftlicher Erpressung und Drohungen auf den Finanzmärkten haben ihr Werk getan und den neokolonialen Zustand des status quo bestätigt.
Kein Entkommen also aus dem eisernen Würgegriff finanzkapitalistischer Herrschaft seinen ihren autoritären Unterdrückungsmethoden, wo die pseudodemokratische Wahl in einem vormals zumindest teilweise souveränen Staat von den herrschenden Eliten zu einer Abstimmung über Leben und Tod gemacht wurde. Eigentlich sollte es bei nationalen Wahlen darum gehen, ein nationales Parlament zu bestimmen um nationale Entscheidungen in einer parlamentarischen Demokratie zu treffen. Wer die Wahl in Griechenland am 17.06. verfolgte konnte aber die offensichtliche Falschheit, die ungeschminkte Verleugnung dieser Idee – welche an sich selber nicht die beste ist und zur Debatte stehen sollte – deutlich erkennen.
Dennoch ist ein Parlament nun einmal da. Es steht da rum am Syntagmaplatz, dem Platz der Verfassung, im Herzen Athens. Es steht da rum und VertreterInnen gehen rein und raus, sitzen auf ihren Sitzen und entscheiden über Entscheidungen, die die Gewählten nicht selber wählen. Eine Verwaltung der Menschen anstatt der Dinge, wie sie kaum besser einzurichten gibt, wo niemand mehr verantwortlich ist.
Wenig überraschend also angesichts der Umstände, dass sich kein politischer Wandel vollziehen wird, wenngleich die parlamentarisch-demokratischen Möglichkeiten ohnehin begrenzt sind. Auch eine Regierung, welche wenigstens mehr oder weniger die Idee und den Anspruch propagierte, die Interessen einer größeren Zahl von Bürgern auch entgegen ökonomischen “Sachzwängen“ zu vertreten, hätte die korrupte Verwaltung des Staates, seine Justiz, Militär und Polizei gegen sich. Vom internationalen Verwertungsdruck ganz zu schweigen.
Insofern sind die politischen Positionen gesellschaftlich Gruppierungen wieder relativ eindeutig verteilt, wenn Nea Demokratia (29,5%) und PASOK (12%) die kommende Regierung bilden mit stabilisierender Unterstützung von Demokratiki Aristera (6%). Ebenfalls wenig überraschend war, nach diesem zweiten Wahlgang, dass es eine Konzentration der Stimmen auf die beiden wesentlichen Alternativen ND und oppositionellen SYRIZA gab, welche ihre Stimmenanteile jeweils um beachtliche 10% steigern konnten. Damit bildet das griechische Linksbündnis eine seriöse Alternative zu den herrschenden Gruppen mit beachtlichen 27% der Stimmen.
Unter anderem konnten sie Stimmen von KKE (4,5%) gewinnen, welche inhaltlich nicht die geringsten Bemühungen machte, ihre versteiften und simplifizierten Programmpunkte den realen politischen Bewegungen anzupassen. Die ‚Unabhängigen Griechen‘, eine rechte populistische Abspaltung von ND erhielt weniger als in den letzten Wahlen, aber dennoch 7,5%. Die brachial-gewalttätige Vorgehensweise der Neofaschisten von Chrisi Avgi, sowohl auf der Straße als auch in den öffentlichen Medien weckte die ‚Hoffnung‘, das jene offen faschistisch auftretenden, menschenverachtenden Vollidioten diesmal weniger Stimmen erhalten würden. Dies war leider kaum der Fall und sie erhielten wieder erschreckende 7%.
Eine Wahlbeteiligung von immer noch über 62% scheint fast mehr zu sein, als unter griechischen postdemokratischen Bedingungen zu erwarten ist und dennoch war jede nicht abgegebene Stimme, abgesehen von denen für die Kleinparteien, eine für die Nazis. Bei den Direktkandidaten bewies sich erneut die Stärke von SYRIZA in den Wahlkreisen in und um Athen (= Attiki) und Kreta, während ND im Rest den Landes stark punktete.
Damit haben wir 179 (von 300) Sitzen im Parlament die Regierung: ND 129 Sitze (einschließlich 50 Extra-Sitze, weil stärkste Fraktion), 33 für PASOK, 17 für Demokratiki Aristera.
Die Opposition ist zahlenmäßig stark, aber programmatisch gespalten wie die Gesellschaft. Allerdings gibt es eine demokratische, seriöse Alternative, welche den Herrschaftsapparaten von EU und Weltmarkt ein Zittern und Bangen um ihre Krisenprofite bescherte und deswegen dass volle Propagandainstrumentarium mobilisieren ließ, was sicherlich auch keine Kleinigkeit gekostet hat.
Buisiness as usual also – die alltägliche Zwangsjacke, welche jede Fantasie abtötet. Immerhin, durch eine unergründliche Verfügung der gnädigen Märkte ist Griechenland immer noch nicht auf dem Level des verwalteten Rumänien oder des brutal-autoritären Weißrussland angekommen, um einen europäischen Vergleich zu bemühen. Die Verhältnisse allerdings bringen Griechen, Italiener und Spanier näher zueinander, welche zuvor unterschiedlicher waren. Und überhaupt werden die Menschen in unseren kalten Zeiten wieder näher zusammenrücken. Sei es in der Kleinkriminalität; bei der Abtötung von aufgezwungener Freizeit, nachmittags bei Kaffee abends bei Alkohol; bei gemeinschaftlichen Tätigkeitsformen wie Müll recyceln oder Ausländer verprügeln – die Menschen kommen zusammen (wenn sie nicht den ganzen Tag für 4 Euro die Stunde arbeiten oder arbeiten müssen, ohne überhaupt Lohnzu erhalten bzw. irgendwohin auswandern, wenn sie dazu die Möglichkeit haben).
Insofern verbleiben wir in einem Warten. Die Sonne scheint und alles was geht, geht seinen Gang und alles was steht, steht seinen Stand. Dabei scheint es ja schon immer so gewesen zu sein: Dass das Leben ein Warten ist; ein Warten auf Leben.