URLAUB – UND NACH UNS DIE SINTFLUT

9 Aug

vom 09.08.12

Wenn der Sommer nicht mehr weit ist und die Stadt so unmenschlich heiß ist, gilt es auszubrechen aus dem zivilisatorischen Monster, dem Moloch Athen. Nicht anders beschreiben Griechen ihre Flucht vor dem unorganisierten Chaos der Metropole: als ‚escape‘, als Ausbruch und ‚Rettung‘ vor ungesundem Lärm, Dreck und Hektik der Großstadt. Mitte Juli beginnt es, das sich die Straßen leeren und wer kann, verlässt sie – entweder zu Verwandten auf dem Lande (da ist es auch billiger zu leben), auf eine Insel oder wer es sich leisten kann, auch ins Ausland. Zumindest einen Monat muss man weg, einfach, um nicht komplett durchzudrehen.

Wer dieses auffällige Verhalten begreifen will, muss auch wissen, dass Athen selber zu weiten Teilen erst in den Siebzigern gebaut wurde und die meisten Griechen eine großstädtische Lebensweise eigentlich nicht gerade gewohnt sind und verinnerlicht haben. Ein ‚Modernisierungsprozess‘ dauert eben seine Zeit und weil er immer noch hinterher hinkt, wird ihm heute mit ausländischer eiserner Gewalt nachgeholfen.

Sei es drum, immerhin leben wir in einer Zeit, wo eben auch die meisten Lohnsklaven von heute, sich einen kleineren oder größeren Ausbruch leisten können – um dann wieder leistungsfähig zu werden. Denn das Humankapital, stößt eben an seine psychischen und physischen Grenzen, muss aber, da es einizige Quelle von Mehrwert ist, auch mal Urlaub machen und entspannen. Abgesehen davon, muss ja auch konsumiert werden. Und so fähren sie mit Familie oder Freunden auf eine Insel zum Beispiel, genießen die Schönheit der ‚Natur‘, sind bestens gelaunt, finden neue Freunde und geben all ihr Geld aus in der Taverne, dem Kiosk, dem Supermarkt; vielleicht auch dem Hotel oder Campingplatz und natürlich für Bus oder Auto und die Fähre.

Und es ist ja auch schön, es ist verdammt schön, einfach mal rauszukommen, den Kopf auszuschalten und sich Gutes zu tun, Gutes zu tun und Gutes tun zu lassen. Alles teilen, was auf dem Tisch steht, gemeinsam schöne Erlebnisse zu haben, sich verschenken und beschenkt werden, reden, reden, lachen und schwimmen gehen und am Strand herumliegen.

Die Krise hat ja nicht nur schlechte Aspekte. Früher wurde free camping streng verboten und teuer bestraft. Heute kann man den Menschen die kein Geld haben, doch nicht ihr Bisschen Erholung verbieten. Die Preise in den Hotels sinken. Für ein Doppelzimmer jetzt 30 statt 70 Euro pro Nacht – das können manche Leute sich dann schon leisten.

Im harten Gegensatz zum Immigranten ist der Tourist ein gerne gesehener Gast, mit dem man sich unterhält und freundlich ist, ihm was von seiner Kultur zeigt und überlegt, wie man an sein Geld kommen könnte. Natürlich, man weiß ja auch, dass er wieder gehen wird. Und zwar nicht, weil er die Schönheit der Insel nicht länger aushalten würde oder weil ihn seine Bekannten und Verwandten nach Hause zurückziehen würden, sondern, weil er das Geld, was er ihm Urlaub ausgibt, in Griechenland ja gar nicht verdienen kann.

Frei sein, einfach herauskommen und ja keine Pläne machen; sich einfach nur treiben lassen im verdienten Urlaub. Denn diese Lebensart ist es, die das Leben lebenswert macht und den ganzen Rest irgendwie doch erträglich werden lässt. Am Strand begegnet man ja auch immerhin nicht dem Boss: der liegt in der Zeit am teuren privatisierten Privatstrand und wohnt im Luxushotel – jeder, wie er (zahlen) kann.

Zum Glück macht Geld ja nicht glücklich und deswegen können viele auch den Urlaub genießen, weil durchschnittliche Griechen im Genießen es doch wesentlich weiter gebracht zu haben scheinen als zum Beispiel durchschnittliche Deutsche. Und Genießen war noch nie ein leichtes Spiel. Es ist schon klar, dass so eine Umgebung eine besondere, oft sehr sympathische Mentalität erzeugt. Doch dann muss auch genossen werden. Und wer’s nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund! Also deswegen gemeinsam auf die Insel, an die Küste und ausbrechen aus Zwang, Stress und Unterdrückung. Und sich bedienen lassen an der Strandbar, manchmal von Kindern in der Taverne und von afrikanischen Sonnenbrillenverkäufern.  Mal richtig leben und frei sein – denn das haben wir uns verdient. Zumindest jene, die nicht arbeitslos sind gleichzeitig Kinder zu füttern haben.

Es ist so schön: Die Berge, der strahlend blaue Himmel und das Meer, das Meer, das Meer. Die Freizeit, welche noch keine freie Zeit ist, sondern eine zwangsbefreite.  Doch – positive Wendung – natürlich liegt im Genuß ein Kern einer Wahrheit, welcher wegen seiner alltäglichen Versagung zur Rebellion auffordert. Vielleicht liegt so im (illusionären) Ausbruch aus dieser Art von Gesellschaft auch die Chance auf einen (kollektiven) Bruch mit ihr.

Insgesamt jedoch wäre es deswegen clever, ein EU-weites Grundeinkommen einzuführen, um Konsumstandard und Loyalität langfristig aufrechtzuerhalten. Wäre vielleicht auch billiger und effektiver, als Militär, Polizei und Überwachung – aber es profitierten andere Leute davon.

ORGANISMUS UND WIDERSPRUCH

9 Aug

vom 16.06.12

Ein lebendiger Körper, insbesondere der menschliche, besteht aus vielen Millionen Zellen und Zellen und Zellen. Diese wirken zusammen, unbewusst und ungewollt, sind sie doch Teile, gerade in dem tausenvältigen Miteinander, dem verwirrten Haufen, in welchem sie verhaftet sind.

Die Zellen finden sich in mehr oder weniger bewussten Gruppierungen zusammen, je nach ihren Affinitäten, welche oft ihrer Funktion in der komplexen Ganzheit entlehnt sind. So durchzieht ein Netz von Netzen den Kosmos der Millionen Zellen, die Ineinandergeworfen, miteinander leben müssen, im aufgezwungenem Gegeneinander. Die Größe und Stärke der Netze variiert nach ihrer jeweiligen Position und wie ihr Verhältnis zueinander, welches sich ständig ändert; Wo Zeit vergeht und die Entfaltung der leider zu einfältigen Geschichte, welche die Vielfalt unterdrückt ud dennoch mit sich schleppt, weil sie von ihr lebt, voranschreitet.

Räumlich und zeitlich varriieren die Netze und konzentrieren sich auch in Zeit und Raum – was ihre gegenseitige Inbezugnahme wiederum durcheinanderwirbelt. An einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Zeit, die jede sein könnte und es doch nicht ist, Beeinflussen konkrete Einzelne die Struktur der Gesamtheit sehr nach ihren Interessen, des Nutzens der vielen Netze und ihrer Anordnung. Wenn sich die Widersprüche bewusst werden vernetzen sie sich wiederum; in Netzen, die danach trachten, die Gesamtheit zu begreifen oder einfach unmittelbar gegen Unterdrückung und Ausbeutung aufbegehren.

Der selbstbewusste Widerspruch, kann vom bejammern, verstummeln, bejubeln; zum Ausdruck kommen und Ausdruck verleihen: der Sehnsucht nach der gestohlenen Wahrheit, nach verwirklichtem Leben. Greift es so die Machtstrukturen an, welche sich ihre Stellung so arrogant angemaßt und grausam angeeignet haben und brutal behaupten? Gibt es eine Bedrohung der verhärteten Front herrschender Eliten, welche die ganze Gesellschaft in Geiselhaft halten mit ihrem Monopol augezwungener und unausweichlicher ‚Sicherheit‘ – ihrer Sicherheit?

Den einen geben sie Kavier und den anderen Brot zu fressen, während die Dritten sich um die Krümel prügeln. Doch am Ende bleiben alle hungrig nach verwirklichtem Möglichen; nach Leben. Der Angriff ist ein Stich, eine Provokation, die alleine dem Ausdruck nach, der diffusen Wirklichkeit symbolisch Gestalt verleiht – und dem deswegen sofort und entschlossen, mit allen notwendigen Mitteln, begegnet werden muss. Da rücken die Maschienenmenschen vor und prügeln. Da werden die Löhne nicht ausgezahlt und die Stromanschlüsse gekappt. Da werden die Sündenböcke gesucht, dingfest gemacht und zur Rechenschaft gezogen. Und mit Propaganda werden die Köpfe zugelöstet und in den Talkshows hat ein Politiker dreißig Sekunden Zeit auf die Frage zu antworten, in die auch noch reingeredet wird. Im permanenten Gerede wird also nie etwas gesagt und deswegen, können nur Symbole sprechen, die alle verstehen müssen; und die eine Kluft aufreißen im zwangsversöhnten Organismus – um der Heilung willen.

THIS IS WHAT DEMOCRACY LOOKS LIKE

9 Aug

vom 09.08.12

Er seht herum. Sitzt herum, mit seinem Frappé in der Hand und der Pistole am Gürtel, um darauf zu warten, dass nicht passiert, was nicht passieren darf. Damit es nicht passiert, steht oder sitzt er – und wartet: das nichts passiert. Ein anderer steht auch. Allerdings vor einem der Polizeibusse, zu dessen Bewachung und deswegen in voller Montur: die Hand an der geladenen und entsicherten Schnellfeuerwaffe, den Helm bereit, in gepanzertem Anzug. Am Gürtel hängen Schlagstock, Plastikhandschellen und eine Tränengasgranate. Die dritten besetzen die Kreuzung. An jeder Ecke zwei ‚Beamte‘, die ihre Schilder vor sich aufbauen. Jede Richtung der Kreuzung ist so unter Kontrolle. Mal diese, mal jene Kreuzung wird besetzt – nach einer ganz eigenen Logik.

Welche Gründe dazu führen, eine Stadt der eigenen Bevölkerung zu besetzen, sei hier ausgeblendet. Gleichfalls die Frage, ob sich die Leute sicherer fühlen mit der Besatzungsmacht, weiterhin den Spitzeln in Zivil und den Sicherheitsdiensten, sei einmal dahin gestellt. Zur Not und recht gerne sorgen auch die Faschos für die Drecksarbeit: Ordnung ist ihr Hobby und ‚Recht‘ ist ein schlechter Witz.  Selbstverständlich, es mag Leute geben, die sich sicherer fühlen, denn es sind schlechte Zeiten. Und in schlechten Zeiten neigen die schlechten Menschen dazu, schlechte Dinge zu machen. Das weiß man ja. Und wer nichts Schlechtes tut, hat ja auch nichts Böses von der Staatsgewalt zu befürchten – sagt man sich so; und lügt sich selber die Taschen voll.

Die Herrschaft ist perfektioniert heut zu Tage. Es gibt Trainings, Methoden und Strategien für jede Art von Aufstandsbekämpfung. Es gibt Reizgasgranaten, die in der Luft zersplittern, sechsteilig herunterkommen und so eine ganze breite Straße unter Wolken setzen können. Das Gas darin ist eigentlich verboten, denn abgesehen davon, dass es Schleimhäute verätzt und langfristige Gesundheitsschäden verursacht, hat es auch eine chemische Komponente, welche direkt auf die Psyche wirkt und Panik auslöst. Dagegen ist kein Mundschutz gewachsen und selbst die Gasmasken versagen. Die Herren Polizisten sind keine Athener. Sie kommen vom Lande, wo Männlichkeit und Gehorsam ohnehin weiter verbreitet. Und wo sie zumindest nicht gegen eigene Kinder, Großväter, Tanten oder Bekannte aus der Kneipe eingesetzt werden.

Da sie dumm sind und erwiesenermaßen dumm gehalten werden (was an sich schon ein staatliches Verbrechen ist), funktionieren sie in einer perfekten Schwarz-weiß-Logik von gut und schlecht. Und gut ist, was der Vorgesetzte sagt und schlecht ist alles, was nicht geschehen darf und ausgerottet werden muss. In der Polizei herrscht eine straffe Hierarchie, wie sie nicht härter sein könnte. Der Hauptmann fordert den Neuling auf, mit in den Keller zu kommen. Der Hauptmann fordert den Neuling auf, die Ausländer in der Zelle zu schlagen. Härter, härter, härter, härter. Gut das reicht: der wird sich schon noch mal überlegen, in Griechenland bleiben zu wollen; dieses minderwertige Miststück, dieser Untermensch und Schmarotzer, den sie nur mit Plastikhandschuhe anfassen, weil sie gelernt haben, dass Ausländer verseucht wären. Der Neuling versteht und mit jedem Schlag, den er gab, wurde er selbst härter und in die Institution integierter. Anders funktioniert es auch nicht: Zucht und Ordnung.

Der Polizeiapparat Athens ist ein Musterbeispiel für eine undemokratische, selbstständige und paranoide Organisation, einem Staat im Staate, mit eigenen Interessen und unkontrollierbarer Logik. Damit natürlich auch gerade Staat, macht er seine eigenen Gesetze und das sind die Gesetze der Straße. Und gleich vor dem Gesetz sind dieser Gesellschaft dienliche Herrscher und herrschende DienerInnen, sogenannte ‚gute Bürger‘ – wohl weniger als die Hälfte der Bevölkerung.

Werden sie mal monatlich attackiert aus Exarcheia, beginnt das immer selbe Spiel. Dann gehen die Spezialeinheiten hinein, in drei Schlangen, weißbehelmt. Gehen schnell und dann rennen sie und schlagen, schlagen, schlagen. Denn wer nicht vorher wegrennt oder es nicht kann oder vergessen hat, ist ja ein Feind und will es nicht anders. Gas werfen, das Ungeziefer ausräuchern (denn sie wollen es ja nicht anders). Dann formiert sich Widerstand im Ameisenhaufen. Und Steine fliegen, Flaschen, Stühle und was sich sonst noch so greifen lässt; bevor es genug war und ein jeder nach Hause geht, wo Müllcontainer angezündet werden, damit das Gas in der Luft gebunden wird und weniger reizt.

Doch normalerweise und in anderen Stadtteilen läuft das nicht so. Die Polizei hat kein Interesse die Drogenhändler zu verhaften, obwohl sie alle kennen. Das Drogenproblem dient immerhin als Legitimation der Gewalt, genauso wie die Prostitution – und an beidem verdienen sich gewisse Leute in und neben der Polizei auch eine goldene Nase. Die Polizei dient in Athen nicht dazu Verbrechen zu bekmämpfen, sondern produziert Verbrechen; wie der ganze Staat, dem sie dient. Rechtlich angesichert und legal ist das natürlich alles und wenn nicht, ist’s auch egal – man hat hat beste Kontakte zur Justiz.

This is what democracy looks like.

WARTEN AUF’S WARTEN

24 Jun

vom 23.06.12

Mal wieder Wahlen. Mal wieder Legitimationsbeschaffung und Trennung von dieser von politisch-programmatischen Inhalten. Die unglaubliche Propaganda der EU-Institutionen, allem voran auch deutscher Politiker wie Merkel und Schäuble, mit Kombination wirtschaftlicher Erpressung und Drohungen auf den Finanzmärkten haben ihr Werk getan und den neokolonialen Zustand des status quo bestätigt.

Kein Entkommen also aus dem eisernen Würgegriff finanzkapitalistischer Herrschaft seinen ihren autoritären Unterdrückungsmethoden, wo die pseudodemokratische Wahl in einem vormals zumindest teilweise souveränen Staat von den herrschenden Eliten zu einer Abstimmung über Leben und Tod gemacht wurde. Eigentlich sollte es bei nationalen Wahlen darum gehen, ein nationales Parlament zu bestimmen um nationale Entscheidungen in einer parlamentarischen Demokratie zu treffen. Wer die Wahl in Griechenland am 17.06. verfolgte konnte aber die offensichtliche Falschheit, die ungeschminkte Verleugnung dieser Idee – welche an sich selber nicht die beste ist und zur Debatte stehen sollte – deutlich erkennen.

Dennoch ist ein Parlament nun einmal da. Es steht da rum am Syntagmaplatz, dem Platz der Verfassung, im Herzen Athens. Es steht da rum und VertreterInnen gehen rein und raus, sitzen auf ihren Sitzen und entscheiden über Entscheidungen, die die Gewählten nicht selber wählen. Eine Verwaltung der Menschen anstatt der Dinge, wie sie kaum besser einzurichten gibt, wo niemand mehr verantwortlich ist.

Wenig überraschend also angesichts der Umstände, dass sich kein politischer Wandel vollziehen wird, wenngleich die parlamentarisch-demokratischen Möglichkeiten ohnehin begrenzt sind. Auch eine Regierung, welche wenigstens mehr oder weniger die Idee und den Anspruch propagierte, die Interessen einer größeren Zahl von Bürgern auch entgegen ökonomischen “Sachzwängen“ zu vertreten, hätte die korrupte Verwaltung des Staates, seine Justiz, Militär und Polizei gegen sich. Vom internationalen Verwertungsdruck ganz zu schweigen.

Insofern sind die politischen Positionen gesellschaftlich Gruppierungen wieder relativ eindeutig verteilt, wenn Nea Demokratia (29,5%) und PASOK (12%) die kommende Regierung bilden mit stabilisierender Unterstützung von Demokratiki Aristera (6%). Ebenfalls wenig überraschend war, nach diesem zweiten Wahlgang, dass es eine Konzentration der Stimmen auf die beiden wesentlichen Alternativen ND und oppositionellen SYRIZA gab, welche ihre Stimmenanteile jeweils um beachtliche 10% steigern konnten. Damit bildet das griechische Linksbündnis eine seriöse Alternative zu den herrschenden Gruppen mit beachtlichen 27% der Stimmen.

Unter anderem konnten sie Stimmen von KKE (4,5%) gewinnen, welche inhaltlich nicht die geringsten Bemühungen machte, ihre versteiften und simplifizierten Programmpunkte den realen politischen Bewegungen anzupassen. Die ‚Unabhängigen Griechen‘, eine rechte populistische Abspaltung von ND erhielt weniger als in den letzten Wahlen, aber dennoch 7,5%. Die brachial-gewalttätige Vorgehensweise der Neofaschisten von Chrisi Avgi, sowohl auf der Straße als auch in den öffentlichen Medien weckte die ‚Hoffnung‘, das jene offen faschistisch auftretenden, menschenverachtenden Vollidioten diesmal weniger Stimmen erhalten würden. Dies war leider kaum der Fall und sie erhielten wieder erschreckende 7%.

Eine Wahlbeteiligung von immer noch über 62% scheint fast mehr zu sein, als unter griechischen postdemokratischen Bedingungen zu erwarten ist und dennoch war jede nicht abgegebene Stimme, abgesehen von denen für die Kleinparteien, eine für die Nazis. Bei den Direktkandidaten bewies sich erneut die Stärke von SYRIZA in den Wahlkreisen in und um Athen (= Attiki) und Kreta, während ND im Rest den Landes stark punktete.

Damit haben wir 179 (von 300) Sitzen im Parlament die Regierung: ND 129 Sitze (einschließlich 50 Extra-Sitze, weil stärkste Fraktion), 33 für PASOK, 17 für Demokratiki Aristera.

Die Opposition ist zahlenmäßig stark, aber programmatisch gespalten wie die Gesellschaft. Allerdings gibt es eine demokratische, seriöse Alternative, welche den Herrschaftsapparaten von EU und Weltmarkt ein Zittern und Bangen um ihre Krisenprofite bescherte und deswegen dass volle Propagandainstrumentarium mobilisieren ließ, was sicherlich auch keine Kleinigkeit gekostet hat.

Buisiness as usual also – die alltägliche Zwangsjacke, welche jede Fantasie abtötet. Immerhin, durch eine unergründliche Verfügung der gnädigen Märkte ist Griechenland immer noch nicht auf dem Level des verwalteten Rumänien oder des brutal-autoritären Weißrussland angekommen, um einen europäischen Vergleich zu bemühen. Die Verhältnisse allerdings bringen Griechen, Italiener und Spanier näher zueinander, welche zuvor unterschiedlicher waren. Und überhaupt werden die Menschen in unseren kalten Zeiten wieder näher zusammenrücken. Sei es in der Kleinkriminalität; bei der Abtötung von aufgezwungener Freizeit, nachmittags bei Kaffee abends bei Alkohol; bei gemeinschaftlichen Tätigkeitsformen wie Müll recyceln oder Ausländer verprügeln – die Menschen kommen zusammen (wenn sie nicht den ganzen Tag für 4 Euro die Stunde arbeiten oder arbeiten müssen, ohne überhaupt Lohnzu erhalten bzw. irgendwohin auswandern, wenn sie dazu die Möglichkeit haben).

Insofern verbleiben wir in einem Warten. Die Sonne scheint und alles was geht, geht seinen Gang und alles was steht, steht seinen Stand. Dabei scheint es ja schon immer so gewesen zu sein: Dass das Leben ein Warten ist; ein Warten auf Leben.

HERRSCHAFTSLEHRE

17 Jun

vom 17.06.12

Ohne jetzt den Altgriechen-Vergleich zu machen, wie er ja immer noch so beliebt ist und dabei zur Rechtfertigung und Romantisierung der Sklavenhaltergesellschaft dient, muss doch zugestanden werden, dass der alte Aristoteles in mancher Hinsicht Recht behalten hat. Wenn er als einer der ersten eine Systematik und Beurteilungskriterien von Regierungs- und Staatsformen aufstellte, beinhaltete dies die aus der Empirie aufgegriffene Erfahrung, dass es bessere und schlechtere Formen der Herrschaft gibt. So lässt sich der Erfolg einer Herrschaft, wie auch Machiavelli ausgesprochen hat, natürlich vor allem nach ihrer Stabilität und Kontinuität messen, nach ihrem ersten Prinzip: der Selbsterhaltung.

Zu diesem Zweck, wie Aristoteles im Vergleich von um die 200 Verfassungen herausfand, scheint es am besten zu sein, wenn es eine Mischung der verschiedenen Herrschaftsformen in einem Staat gibt. Ein fein abgewogenes Bisschen von jedem zur Legitimation, Effektivität und notwendigen, aber selbstverständlich systeminternen Flexibilität. Denn wo Politik Ausbeutungsverhältnissen dient, muss sie dem Lauf der Dinge folgen, welchen sie selber nicht vorgibt, um dann vorzgeben sie vorzugeben.

Und so gibt es in Griechenland die Monarchen, jene ‚Troika‘ aus Weltbank, EU und EZB, welche den Lauf der Dinge bestimmt, den Rahmen des Feldes setzt, auf dem sich fortwährend bewegt werden soll. Künstlich erzeugt und selbst ein Herrschaftsinstrument ist der verbreitete Glaube an die vorabsolutierte Legitimität der harten Herrschaft, begründet in ihrer göttlichen Rationalität. Anbetung gebührt jenen weisen, unklärlichen Mächten, welche sagen was ist und auf die Wirklichkeit so lange einprügeln, bis sie ist, wie sie sagen. Und unter Folter erkannten wir schließlich, dass alles wahr war, wessen sie uns beschuldigten; dass wir alle Sünder sind und für unsere Schulden bezahlen müssen.

Denn wir sitzen alle in einem Boot: Diejenigen, die ein halbes Leben lang hart geschuftet und nun nichts, nichts davon haben; diejenigen, die einfach Leben wollten und nun das asketische Leben der Einfachheit kennenlernen dürfen; diejenigen, welche all die Jahre die andern ausgesaugt und die Gemeinschaft enteignet haben – so, wie es auch zuletzt und so schnell geschah. Was früher Plünderung hieß, nennt sich heute nachholende Modernisierung. Und die technokratische, unantastbare Verwaltung des Ausnahmezustandes ist vielmehr vernünftige Notwendigkeit, als den Hungernden Brot zu geben.

Eine Oligarchie, die schon lange besteht hält wacker ihre Positionen, wo Kapital nicht national besteuert werden kann. Jede Kolonie braucht langfristig ihre eigene Herrschaftselite, in  ihrem eigenen Land, wo ihnen nichts Echtes gehört. Denn man möchte doch wissen, von wem man beherrscht wird und in der eigenen Sprache hören, dass es sicherlich nicht perfekt, aber am Ende doch die beste Organisation menschlicher Gemeinschaft ist, welche die Menschheit hervorbringen konnte. Obwohl im Grunde genommen klar ist, dass es nur die bisher effektivste Form der Ausbeutung menschlicher Arbeit ist in Kombination mit dem Konsum der ganzen wertlosen Scheiße. Menschen sind sowas von egal. Doch leider konnte noch nichts gefunden werden, was ihre Funktionen ersetzt und so müssen sie eben etwas organisiert werden. Würden sie das hingegen selber tun, könnten sie sich mangels akzeptabler Profitrate wohl kaum auf dem Weltmarkt halten.

Wie die Aktienpapiere und der ganze Plunder, werden denn auch die Menschen bewertet. So war es ja auch immer schon (aber zuletzt doch um so deutlicher) eine nackte Tatsache, dass zum Beispiel Griechen unheimlich faul sind, sich alle gegenseitig bescheißen und zu blöd, sich zu organisieren. Natürlich. Und Griechen schimpfen auf Ausländer oder verprügeln sie, weil sie schmutzig sind, die Arbeitsplätze wegnehmen, stehlen und kleine Kinder essen. Die Juden haben die Brunnen vergiftet.

Damit wären wir dann auch bei dem demokratischen Element der Herrschaft. Heißt es, Demokratie wäre die Wahl zu wählen, wer einen unterdrückt, stimmt die Weisheit nur teilweise. Heute jedenfalls ist es eher die Wahl, wen Leute dann am Ende verantwortlichen machen dürfen – ohne, dass sich etwas ändert, wenn sie selbst rat- und hilflos bleiben wollen.

Die die Verantwortung tragen, sind nicht die den Lauf der Dinge bestimmen. Ohne Teufelchen, die zu beschuldigen sind, kein Kasperletheater. Schlimm genug, mit allem was darin mitschwingt, ist das „Volk“ in „Herrschaft“. Doch immerhin, was in der Demokratie angelegt ist, ist wenigstens das Potenzial zu begreifen, welche Funktion der Teufel mit jener des Kaspers partnerschaftlich gemein hat: den Leuten den Spiegel vorzuhalten. Denn zur Herrschaft gehören auch diejenigen, die die Drecksarbeit machen und jene, die sich beherrschen lassen; zur Lüge gehören auch diejenigen, die sie verbreiten und jene die sich belügen lassen.

Das mag am Ende alles ‚menschlich‘ sein, weil es dem Sicherheitsbedürfnis entspricht, nachdem wir uns in die vollkommene Abhängigkeit begeben haben. Das mag zu akzeptieren sein, weil Menschen ja doch nur Leben wollen und wohl das beste aus ihrer Lage machen müssen. Es mag verständlich sein, weil irgendwann einfach die Kraft raus ist, gegen die Entmenschlichung anzugehen und mit Kaufhausgedüdel und bunten Farben auf dem Bildschirmen sich die Sache aushalten lässt – Lebenig Tote haben schon so manches Leben verlebt. Nur eines soll’s am Ende nicht sein: Die Behauptung, wir hätten das ja alles nicht gewusst. Nach uns die Sintflut!

ÜBER FREIRÄUMCHEN

9 Jun

vom 09.06.12

Ein Aspekt der freieren Gesellschaft wird schon heute in aller Welt gelebt und ist gerade auch hier ersichtlich: Es ist die Gesellschaft, die sich in Gemeinschaften selbst organisiert; wo Menschen zusammenkommen oder zusammengeworfen werden, um ihr Leben unvermittelt zu organisieren, im Prozess die Vermittlung umzuwälzen.

Interessant in Athen, mit seiner ausgeprägten Szenekultur, sind die verschiedenen Häuser, welche die einzelnen mehr oder weniger politischen Gruppen beleben. In diese Thematik insgesamt sicherlich auch mit hinein spielt die anders ausgeprägte Gruppenmentalität der Griechen – mit ihren bewundernswerten und befremdlichen Aspekten.

Jede größere Gruppierung hat ihr Häuschen, ihre Basis, ihre Bar. Wenngleich das auch für andere Gruppen neben der ‚links-alternativen-rebellischen Szene‘ zutreffen mag, hier ein paar Eindrück aus jener.

Im steki metaston (= Haus der Immigranten) finden jeden Abend in der Woche zwei Stunden lang kostenlose Sprachkurse für Migranten statt. Viele Leute arbeiten hier seit mehreren Jahren mit den Migranten, wozu neben dem Spracheerlernen viele weitere praktische Hilfe gehört: juristischer Beistand, Tausch von Fähigkeiten und Gütern, inhaltliche Veranstaltungen und natürlich – ganz wichtig – der Austausch von Informationen. So versteht sich auch von selbst, dass die Menschen, welche ins steki metanaston ihre Kraft, in einem Netzwerk organisiert auch Einfluss auf die Migrationsdebatte und Politik insgesamt zu nehmen, indem sich auch an der Organisation von Demonstrationen usw. Beteiligt sind. Inhaltliche richten sie sich offenbar u.a. an den Zapatistas aus. Ein Bild von Gandhi hängt aber auch an der Wand.

Das ’nosotros‘ auf der anderen Ecke der plateia Exarcheia gehört dem anarchistischen Verein AlfaKappa, der mit der Gruppe occupied london assoziiert ist. Auch dort gibt es öfters Sprachkurse, wenngleich weniger organisiert. Dafür gibt es aber einen Kurs um griechische Instrumente zu erlernen. Nebenbei ist es mehr oder weniger doch einfach ein ‚linker‘ Szeneschuppen, wenngleich Anarchisten mit Parteien natürlich nichts am Hut haben wollen. Da das ’nosotros‘ ein sehr offenes Haus ist, ist es auch kein Zufall, dass sich hierhin zunächst viele Ausländer, sprich Reisende, Erasmus-Studenten und Weltenbummler verirren. Viele Szene-Griechen sind wegen bestimmter politischer Äußerungen aber eher geteilter Meinung, was das nosotros angeht.

Wiederum auf der dritten Ecke des Platzes steht das ‚K*BOX‘ (sprich: Kvox). Das Haus hatte längere Tradition für das Viertel, weil schon früher politische Veranstaltungen dort stattfanden. Ein Gruppe Anti-Authoritärer besetzte und rennovierte es in den vergangenen Monaten erneut. Einen Tag vor der geplanten Eröffnung kam die Polizei, stellte das Viertel auf den Kopf und versiegelte das Haus mit Eisenplatten. Dies war aber doch eher eine formale Geste, denn es dauerte keine 24 Stunden bis in einer politischen Aktion, das Ding geöffnet wurde. Heute ist es ein ziemlich anständiges, sauberes, helles und offenes Kaffee, das sich von vielen Kommerziellen äußerlich nicht zu unterscheiden scheint. Der große Unterschied aber ist: Wer hier was trinkt finanziert, den ‚Kampf‘ bestimmter Menschen, innerhalb und außerhalb des Gefängnisses.

An der Patison-Straße, haben sich in einem alten Unigebäude, seit einigen Jahren Leute eingezeckt. Im ’skaramangar‘ sammelt sich so die postmoderne, progressive, jugendkulturelle Szene, welche sehr aktiv ist. Themen sind u.a. Antispezizismus, Ökoanarchismus, Genderthematiken, aber darüber hinaus auch alles, was nicht so ‚klassisch‘ ist. Öfters laden sie auf dem Plakatwege zu einer Vokü mit Filmvorführung ein und auch, wenn ohne klingeln und aufschließen kein Reinkommen ist, herrscht doch insgesamt eine sehr offene und freundliche Atmosphäre. Außerdem fetzt das Haus an sich.

Nicht so weit weg, gleich beim Viktoria-Platz ist die Villa Amalias. Den Namen hat sie von der Straße, auf der sie 24 Jahre vorher stand – so lange gibt’s das Punker-Anarcho-Haus schon. In dieser Tradition gibt’s da für Faschos und Polizisten auch eher mal auf die Fresse – soziale Realitäten eben. Etwas düster, aber ziemlich groß ist es schon erstaunlich, wie die Leute sich so lange darin halten konnten.

In der Zodohoo Pigis, gleich beim Hügel Strefi, findet sich in einem Kellereingang das avtonomo steki. Inzwischen gibt es das auch schon wieder zehn Jahre und die ersten zehn Jahren sind die härtesten sagt man hier, aber dann geht’s bergauf. Auch wenn das steki, wie gesagt, im Keller ist. Hier treffen sich die Anarchosyndikalisten, welche es in der Tat immer noch, mit der ganzen langen Tradition gibt. Altersdurchschnitt deutlich gehoben, ebenfalls freundliche und offene Atmophäre, jeden Dienstag Vokü für Arbeitslose und Mittwoch normale Vokü. Nebenbei aber sehr wesentlich: Der große Buchvertrieb für alle möglichen linksradikalen Bücher – denn Radikalität beginnt beim Denken.

Neben diesen Häusern, die hier beispielhaft stehen, gibt’s noch viele andere. Die raumgreifenden Ideen haben in Athen eine tiefe Verwurzelung, wenngleich die nächste Phase wünschenswert wäre. Inspirierend bei all dem auf jeden Fall – das es möglich ist, mit seinen Widersprüchen, Raum zurück zu beanspruchen und dadurch Raum zu geben für jene Debatten, welche in der Mehrheitsgesellschaft nicht ernsthaft geführt werden.

METROPOLEN-KLÄNGE UND VERTEXTETE MUSIKALISCHE REISE

1 Jun

vom 31.05.12

Wahrscheinlich ist es in Athen mit der Musik so, wie überall: Wer sucht wird oft finden. Und sich wiederfinden, bei den Klängen, die sie oder ihn ansprechen. Die feste Überzeugung hierbei ist, dass Musik keinesfalls irgendwelche Töne sind, sondern bewusst Gefühle der Menschen ausdrücken, die sie machen und an ihr teilhaben.

Die Möglichkeit der Teilhabe an Musik ist aber wiederum musikspezifisch, denn manche Mugge zielt dahin, die Menschen einzubeziehen, sie zu verwandeln, und etwas mit ihnen zu machen; andere wiederum reduziert den Menschen zum Konsumsubjekt; zum Objekt. 

Letzteres findet sich paradigmatisch zu großen Teilen in Gazi, dem Partyviertel der Stadt. Dort kostet ein Bier sechs Euro aufwärts, aber wer das Geld hat, sollte das zeigen und was anderes trinken. Die Bürgerrkinder und älteren Kinder – der Gesellschaft, wo viele nie erwachsen werden können – gehen dort zum Feiern hin; zum Sichaustoben und funktionieren damit, wie auch den Rest ihres Lebens. Entsprechend die Musik, welche man nüchtern wohl oftmals eher als Geräusch definieren muss – im Gegensatz zum provokaten Geräusch von Hardcore oder Punk aber als das melodische: Dort wo jeder Dreiklang passt und selbst die rhythmische Ausnahme gerade die Einförmigkeit bestätigt, in welcher sich der leichte, zuckerhafte Schleim bewegt, welcher nur dazu taugt, dass Hirn matschig zu machen – entsprechend seiner Funktion, denn anspruchsvoll und fordernd soll ‚Musik‘ bitte nicht sein, Hauptsache ’schön‘ und einfach um das Niveau zu untermalen, auf welchem sich die Kultur dieser Gesellschaft hauptsächlich bewegt. 

 ( www.youtube.com/watch?v=BUTWkFpv7As )

Und so wurde auch viel vom vormaligen underground inzwischen zu kommerziellem Müll, wie Psytrance/Goa, der hier doch recht seltsame Gestalten anzieht und einen mafiösen Anstrich bekommt – mit Atzen-Party-Dress-Code und den entsprechenden chemnischen Drogen, die zu solchen Veranstaltungen obligatorisch sind. Widersprüchlich allerdings, dass jenes auch in freiheitlicher Atmosphäre zu finden ist und sich dann anders gebardet, wenngleich die Musik oft sehr ähnlich ist.

( http://www.youtube.com/watch?v=cwwSbBrX0Yg&feature=related )

Es ist eben nicht ‚eine‘ Gesellschaft und nicht ‚eine‘ kommerzielle Musik, die alles dominiert und auch weite Teile des Radios beherrscht. Nein, gerade in Griechenland ist das Ringen der weltanschaulichen Strömungen zu sehen, wie es sich nicht zuletzt auch in der Musik zum Ausdruck kommt. Hierbei spielen die spezifische Geschichte, die gewordene griechische Mentalität, die geographische Lage auf dem Weg zu den ‚Morgenlanden‘, nahe Balkan, aber auch am Mittelmeer, eine Rolle. Hinzu kommt die Moderne, die globalisierte Welt, welche sich gerade in der Metropole Athen widersprüchlich auch in Klängen manifestiert.  

Gegenbeispiel zu ‚oben‘ und jenes einer ‚anderen Party‘ ist der traditionelle Rebetiko. Diese Musik, als ‚griechischer Blues‘ bezeichnet, entstand anfang des letzten Jahrhunderts und ist etwas ernsthaft Griechenland-Spezifisches. Ursprünglich von den Ausgestoßenen der Gesellschaft in Piräus entwickelt, handeln die kryptischen Texte oft von Opium- und Marihuanakonsum, vom Leben auf der Straße und natürlich aller Zeit, der Liebe mit stärkerer Betonung auf deren Versagung. Es lohnt sich, stärker mit Rebetiko zu befassen, als die meisten Touristen es wohl tun, die ihn abendlich in einer Kneipe als ‚exotisch‘ wiederum konsumieren. Was Rebetiko mit der wirklich traditionell griechischen Musik verbindet ist viererlei: Die traditionellen Instrumente, welche einen ganz eigenen Klang verleihen […], der spezifische Tanz, welcher hier verhältnismäßig doch noch recht verbreitet ist genauso wie, drittens, die Texte, welche den Hörern so gut bekannt sind, dass viele sie instinktiv mitsingen müssen. Viertens wird Rebetiko in besonderer Umgebung (natürlich live!) gespielt, die den Anlass zum Volksfest macht, was bedeutet, in fröhlicher Atmosphäre stundenlang mit Freunden an Tischen rumsitzen, trinken, essen, tanzen, das Leben genießen usw. Tanzen ist nicht so leicht. Ist halt kein Egotanz, sondern kollektiver Volkstanz und muss doch erst mal gezeigt werden. Da gibt es die Stücke, wo die Frauen im Weltschmerz tanzen und angehimmelt werden wollen. Mit diesem phänomenalen Hüftschwung, der den Männern die Augen aus den Höhlen treibt. ( http://www.youtube.com/watch?v=Gw-kn2IPxBA )

Und die Lieder, wo ein depressiver Mann in der Mitte tanzt und die anderen ihn bemitleiden – irgendwie aber auch heilen. Und natürlich, dass alles in allem, das eingehen ins ‚Volk‘, das Alle-miteinander und Jede mit Jedem, was den lange-kapitalistischen Ländern so fremd geworden ist und deswegen seinen fatalen Pseudokonstruktionen hervorbrachte. 

( http://www.youtube.com/watch?v=0TmDYoHJg6Y&feature=related )

Die Message ist klar und es scheint doch sehr verwunderlich, dass auch bei vielen Jugendlichen die Begeisterung für die Tradtition nicht abreißt, weil Rebetiko eben keine verstaubte Musik ist, sondern überaus lebendig und nicht weniger in diesen Zeiten. Es geschieht dabei etwas, es macht was mit den Menschen, indem es sie involviert – soweit, dass die Band schon mal als Arschlöcher beschimpft werden, wenn sie gerade mal einen bekannten Titel nicht spielen wollen.

( http://www.youtube.com/watch?v=IYx6TweQ3YE&feature=related )

Aber die Leute machen selber viel Musik und Musikgeschäfte gibt es hier proportional doch mehr als in Deutschland. Abendlich auf der Straße hört man sie hier und da aus einzelnen Appartments von Menschen selbst gemacht. Und so ist es auch mit den Straßenmusikern, welche sich tagsüber in der Innenstadt und den Touristenvierteln tummeln mit ihren sehr verschiedenen Repertoires – von Bob Dylen über Bob Marley, den Akkordeon- oder Lyra? spielern, Trommlern und ab und an mal einer richtigen rumänischen Balkanband ist alles vertreten. Dort, wo sich auch die Jongleure aufhalten und nach dem ‚Ethnic-Business‘ Ausländern der jeweils gleichen Abstammung, die jeweils gleichen Plastikspielzeuge oder sonstigen Plunder verkaufen, um irgendwie zu Geld zu kommen.

Wenn man ganz großes Glück hat, kann man auf dem Hügel Strefi zur Mittagszeit ein Mädchen treffen, dass im Schatten eines Baumes ein seltenes türkisches Seiteninstrument zu spielen übt.

Die Leute gehen viel raus und gehen viel aus, weil das kulturell so stark erwünscht ist, dass es manchmal wohl fast zum Zwang wird. Das braucht Geld und Geld ist knapp in diesen Zeiten, sodass mancher den sozialen Abstieg vor allem daran spürt, dass er nicht mehr so oft ausgehen kann oder nicht mehr dorthin, wohin er bisher ging. Was natürlich in gewisser Weise Luxus ist, wurde für die meisten Griechen mit den Jahren zur Selbstverständlichkeit und schmerzt darum so sehr, weil die Gemeinschaft, der gesellige Austausch, eben in der Bar, auf der Party und dem Fest stattfindet. Und das wohl wesentlich stärker als in ‚westlichen‘ Ländern.

Zur Not muss man seinen Musik-Geschmack ändern oder fühlt sich ohnehin zu den konsumzwangfreien Veranstaltungen hingezogen, die entsprechend auch freier sind, wie die Free-Jazz-und-alles-Mögliche-Jam-Sessions, welche sich in Athen finden, initiiert von alten Jazzern aus der ‚Szene‘. Wer keine Getränke kaufen muss und sich einfach draußen auf einem Platz zu den Musiker-Freaks rottet, kann auch nichts Großes verlangen. – Genau das ist die Atmosphäre, wo seit je her Großen und Neues entstanden ist, wo etwas entsteht und wo – im Idealfall – auch eine Zuhörerin genauso Teil des Jammings ist und das Ereignis formt, welches versucht Leben in seiner Ganzheit auszudrücken und potenziell auf die Pluralität der Realität verweist – sie durchscheinen lässt. Wer’s nicht versteht oder der Idealisierung grundsätzlich skeptisch gegenübersteht, kann es aber auch als ein schönes nächtliches Event mitnehmen in einer freieren Atmosphäre, wo sich die Musikstile der Welt mischen. Zumindest einige.

Zum Abschluss auch als interessant zu erwähnen ist die Verwendung von Musik, ihrer weltanschaulichen Ausrichtung nach bei den politischen Partei. Die stalinistischen Kommunisten der KKE spielen die ‚Arbeiter-Lieder‘ ihrer langer Tradition plus einiger aus einem lange vergangenem Moskau und tauchen mit nicht weniger als tausend roten Fahnen bei ihrer Demo auf. 

( http://www.youtube.com/watch?v=VTReB0eakWQ )

PASOK und Nea Demokratia haben den gleichen Müll: ein Bisschen Volksgedudel und den kommerziellen Scheiß, nicht so partyvulgär, aber dennoch mit der Absicht der Pseudoindividualisierung des Stimmviehs. Weiter rechts lohnt sich nicht zu blicken, doch ist klar, dass Menschen ohne Fantasie keine Musik machen und keine ‚eigenen Lieder‘ hervorbringen.

SYRIZA hingegen spielt im eigenen Radiosender ‚Kokkino‘ (= ‚rot‘) wie auch auf Veranstaltungen eine seltsame Mischung aus traditioneller Musik (eher Richtung Osten orientiert), klassischen Konzerten, dem guten amerikanischen Rock der 60er/70er, überraschenderweise auch hochaktuell alte Bands wie ‚The Clash‘ und anderem Kram, der sich für eine motivierte Bewegung eignet und mit ihrer Geschichte verknüpft ist. 

 ( http://www.youtube.com/watch?v=hiQoq-wqZxg )

Und das ist der Weg, Widersprüche anzunehmen und mit ihnen umzugehen: Sich die guten Dinge von überall her zu anzueignen und in Vielfalt, aber auch mit Bestimmtheit, gemeinsam einen Sound zu kreieren, der aktuell und vorwärts orientiert ist – Ein bisschen radikal, aber doch auch so, dass er viele mitnimmt – so sind sie, die Demokraten – im Gegensatz zur rebellischen Szene.

Alltagssoziologie

21 Mai

vom 19.05.12

Wo ist denn, fragt man heut‘, das Proletariat? Wo ist der Klassenwiderspruch, wo ist er lokalisiert? Wo sind die Scharen der Fabrikarbeiter, wo doch alles maschiniert ist? Wo sind die Geknechteten, die Ausbeuteten, die Herrscharen, die Armeen des modernen Kapitalismus? Nicht jene, die nicht so reinpassen, sondern jene, die eben ganz reinpassen. Die, die wirklich ganz ganz unten, die doppelt-frei-Geschundenen, dass Musternbild des Prozesses der Domestizierung, dass man aus dem Mensch gemacht hat – und das deswegen nach Menschlichkeit schreit und eine Freiheit will, die auf Gleichheit gegründet, eine Gleichheit will, die das ganze Leben betrifft und das Materielle meint und dadurch Solidarität wird. Und nichts will weiter als eine menschenwürdige Grundlage für alle – nur keinen Himmel und kein Paradies. Sondern genügsam leben und ohne Angst und Sorge sein und sich entwickeln können wollen, nach seinen Möglichkeiten, damit das Mögliche wirklich werde.

Doch Asien, Afrika ist so fern, als dass man sich vorstellen könne, was die klassischen Arbeiter sind. Denn unsere sind doch so reich und satt geworden, so ganz und gar verbürgerlicht, wie das Bürgertum proletarisiert wurde. Und sie fahren ihre autos und sie bauen ihre Wohnungen und kaufen ihre Fernsehbildschirme, sodass der frühere lebendige Widerspruch, nicht mehr Einspruch sondern Zuspruch werde, mitsprechen möglich wurde, in einer Art Demokratie; wo man miteinander manchmal vernünftig reden zu können glaubte; während die einen Gold gewannen und die anderen mit Bonbons beschwichtigt wurden und daber vergaßen, was es bedeutete für sein täglich Brot bis an die physische Existenzgrenze arbeiten zu müssen; im Schweiß und Blut die Erde bebauten, aber nicht die eigene, aber nicht jene aller, sondern jene der Plantageherren, welche Million um Million daran verdienten. Und dennoch, dennoch gibt es sie, die klassischen Arbeiter von damals, heute.

Assid kommt aus Westafrika. Und er hat Arbeit. Im Hafen arbeitet er. Doch in seiner Freizeit trägt er ein blaues Hemd, denn er ist anständig. Er ist alleine und packt sein Leben an, packt an im Hafen, wo die Container entladen werden. So manchen Tag macht er so manchen Job – denn natürlich ist er nicht fest angestellt, sondern ohne ernsthaften Arbeitsvertrag. Oft hat er auch gar keinen Arbeitsvertrag, arbeitet einfach schwarz, in einem Land am Rande der EU, dass bisher noch politisch so eng mit diesem Wirtschaftsraum verknüpft ist. Bei Schwarzarbeit fällt hier das schwarz weg und ist einfach ganz normale Arbeit. Assid hat was im Kopf und sein anständiges Benehmen lässt darauf schließen, dass er aus einem halbwegs gebildeten, funktionierenden Haushalt stammt – in Westafrika. Und jetzt ist er hier und wird proletarisierlt, als Hafenarbeiter, um die Güter aus der westlichen Welt mit den Gütern der restlichen Welt zu tauschen.

Es läuft nicht gut, aber es läuft. Und Assid will sich nicht beschweren. He gets money, little by little, but okay, possible to get around. Immerhin kann er sich leisten, ein Zimmer zu bezahlen. Doch nun die Wirtschaftskrise, wie sei das? Assid weiß, dass es nicht leicht ist. Für ihn ist es nicht leicht und  für viele viele andere ist es nicht leicht, ganz abgesehen von den Großstadtzombies, den Verworfenen. Assid aber beschwert sich nicht und zwar aus zwei Gründen: erstens, weil er intelligent ist und weiß, wie die Dinge mit der Wirtschaft laufen und zweitens, weil er in einer Situation ist, wo die Worte Ausbeutung, Klassengesellschaft, Reservearmee real sind und keinen Gedanken an Verhandlung, Ausgleich, Teilhabe und dergleichen aufkommen lassen, sondern nur die Aussage: Ja, so ist das. Denn so ist es, in einem Ausbeutungsverhältnis zu leben, ohne die Bonbons, ohne Wohnung, Auto und Plasmabildschirm. Assid braucht nichts erklärt zu bekommen, denn in seinen Worten, vielmehr in seiner ganzen Person, verkörpert er diese Begriffe, nicht auf irgendeine abstrakte Weise, sondern so, wie er ist, mit seiner ganzen Lebensform. Und natürlich braucht er die Kohle und natürlich hofft er, dass es mal besser laufen, dass er einfach eine Chance erhalten wird, was aus seinem Leben machen zu können und nicht nur die nackte Haut verkaufen zu müssen.

Aber er jammert nicht, er beschwert sich nicht, weil er so genau weiß, dass jene, die jammern und sich beschweren, fast nur die sind, welchen es all den Jahren so gut gegangen ist, ohne, das sie was begriffen haben. Der verdammten Mittelklasse, welche ihre Bonbons misst,wäh rend die anderen Sägespäne fressen werden. Assid jammert nicht, sondern versucht das Beste aus seiner Lage zu machen. Das aber bedeutet zu kämpfen, wo das Leben selber der tägliche Kampf ist. Und darum braucht man ihm nichts zu erklären; er erklärt viel besser mit seinem ganzen Leben: eine Inkarnation von Ausbeurtung, Globalisierung und Lebenswille, der das wirkliche Fenster zur anderen Welt offenhält, welche die unsere sein könnte.

NEUWAHLEN, PROPAGANDA UND DIE ANGST VOR TATSACHEN

16 Mai

vom 16.05.12

Endlich geschafft und durchgerungen. Neuwahlen im Land der Verzweifelten, der Kolonie des internationalen Finanzmarktes und des gewaltsamen Akkumulationsregimes der EU.

Das Neuwahlen kommen, war nicht so klar, denn bis zu letzt verhandelten die Spitzen von Nea Demokratia und PASOK mit der ‚Demokratischen Linken‘ und den rechtspopulistischen ‚Unabhängigen Griechen‘. Mit einer dieser beiden Parteien hätten die Herrschaftseltiten genügend Sitze im Parlament vereinen können, um eine Regierung zu bilden.

Stattdessen aber versuchten sie bis zu letzt SYRIZA zum Bündnis, einer ganzganz großen Koalition, zu bewegen und sie wie die anderen zu kaufen. Das frische Linksbündnis ist steht aber nicht zum Verkauf, ganz einfach, weil sich hier Leute versammeln, die keine Marionetten sind. Die Verweigerung der Sparmaßnahmen wie sie die Troika formuliert ist eben gerade die Alternative zu einer Politk der Selbstbedienung. Eine anständige Opposition gehört in einem demokratischen System dazu; zumindest, wenn es parlamentarisch funktioniert.

Warum Nea Demokratia und PASOK aber unbedingt diese vollkommen abstruse und undemokratische Regierung der Groß-groß-Koalition bilden wollen ist offensichtlich: Die Durchsetzung der Sparmaßnahmen mit SYRIZA wäre die vollkommene Aufgabe souveränen Handlungsspielraumes: Eine Politik, die letztendlich wirklich jeglichen Kontakt zur Bevölkerung verloren hat – de facto keine Demokratie mehr.

Darum aber geht es. Was immer dieses Ideal ‚Demokratie‘ darstellen sollte und ob man es gut findet oder nicht: hierum wird letztendlich gerungen. Würde eine Regierung ohne SYRIZA aber das Spardiktat der Troika durchsetzen, ließe dies das Linksbündnis als einzige seriöse Alternative erscheinen (denn von KKE und den Faschisten braucht in diesem Zusammenhang nicht gesprochen zu werden) und ihm zu einem noch größeren Auftrieb verhelfen.

Doch die Propaganda der Elite schallt von allen Enden, seien es die lokalen Herrscherlein, der abstrakte Finanz- und Weltmarkt mit seinen Instituationen oder die eiserne EU, allen voran das plötzlich doch so weit entfernte Deutschland. Von dort sind die schlimmen schlimmen Dinge zu hören – jene, die vollkommen an den Tatsachen vorbeigehen.

Zum Beispiel, dass Griechenland wohl bei der Verweigerung der Sparmaßnahmen aus der Euro-Zone aussteigen und dann alles ganz schlimm werden würde (auch wenn man drauf vorbereitet ist).

Die Frage ist aber überhaupt nicht, ob Euro oder nicht (auch wenn man darauf vorbereitet ist). Wirtschaftliche Zusammenhänge entscheiden sich nicht an einzelnen Währungen, der Geld kann man bekannterweise umtauschen. Worum es geht, ist wirtschaftliche Abhängigkeit und damit die Aufgabe einer eigenständigen Politik, oder der schrittweise Reduktion zur Wiedergewinnung von wenigstens etwas wie Handlungsspielraum.

Sollte sich in diesem Fall aber offenbaren, dass Griechenland handlungsunfähig ist, dann zeigte sich nicht die falsche Politik einer wirklichen Alternative. Nein, genau wenn dies einträte, würde die Alternative wirksam: Um zu offenbaren, dass es den souveränen Nationalstaat als ein demokratisches Gebilde überhaupt nicht mehr gibt, wie die ganze Zeit suggeriert wird. Wenn es ihn aber nicht mehr gibt (oder nur noch als Gewalt-Zusammenhang), warum dann all den pseudo-demokratischen Zirkus mitmachen?

Richtig. Und deswegen braucht es dennoch eine wirkliche Alternative im Parlament, welches es nun einmal gibt und im Moment, gewollt oder nicht, gut oder schlecht, als Dreh- und Angelpunkt der Debatte funktioniert, während die tatsächlichen gesellschaftlichen Kämpfe um Entscheidenderes kreisen – Um Verteilungsfragen nämlich und um Fragen eines menschenwürdigen Lebens für alle in einer Welt der barbarischen Kapitalüberschüsse, welche die Knechtschaft und Verelendung auf der anderen Seite begründen.

Also doch noch mal wählen. Plakatieren, Demonstrieren und sich der ganzen Propaganda-Scheiße nicht entziehen zu können, der so viele auf den Leim gehen. Die Leute werden so dumm gehalten und geführt, dass man wirklich glaubt hier in einem Zoo zu sein. Erst wählen und sich dann schlachten lassen – so wird Politik gemacht, wo es etwas geht. Nicht umsonst meinte Bismarck, dass Politik so ähnlich wie Wurst gemacht wird und die Leute gut daran täten, dass nicht so genau zu wissen. Nur zu blöd, dass das unartige Kind am Ende nicht nur keine Süßigkeiten bekommen, sondern ohne Essen zu Bett geschickt werden wird: In die kalte und dunkle Nacht des vollkommenen wirtschaftlichen Niedergangs. Dort wird sein Heulen und Zähneklappern und der braune Dämon.

PASOK und ND werden wie im letzten Wahlkampf keine Stände aufstellen, weil sie Angst haben, dass die Leute sie zerdeppern. Mit Recht, nur leider sind sie in ihren Panzerglas-Büros zu sicher, wo die Staatsmacht Tag und Nacht davorsteht und Kaffee trinkt und den Mädels auf die Ärsche schaut, weil sie neben prügeln und Motorradfahren nicht anderes kann. Na gut, wählen kann sie auch: Offenbar haben fast die Hälfte der Polizisten die Faschisten gewählt was aber nicht groß überraschen sollte.

Klarwerden sollte nur, dass es hier nicht um Parteien geht, den Spielfiguren in einem Spiel, dessen Regeln immer von Menschen gemacht werden. Aber von welchen? Und wozu? Wir Zeiten bleiben heiß, die Herzen bleiben kalt.

Nachtrag zum Zahltag

10 Mai

vom 10.05.12

Ergänzungen aus aktuellem Anlass:

Was abzusehen war trat ein: Weder Nea Demokratia, noch SYRIA oder PASOK konnte es gelingen, eine Regierungsmehrheit für sich zu vereinen. Das liegt daran, dass nur ND und PASOK, die Maßnahmen des Memorandums II zustimmen wollen und sie zusammen (mit dem Bonus der 50 Sitze für die stärkste Partei) nur auf 149 Sitze kommen, was knapp unter der Hälfte ist.

Die Dinge gingen also ihren Gang und beim Präsidenten Karolos Papoulia wurden Neuwahlen beantragt. Die werden nun am 06. oder 15. Juni stattfinden, also in den nächsten fünf Wochen und der ganze Wahlkampf-Zirkus geschieht dann noch mal.

Das könnte die Chance für SYRIZA sein. Wenn sie von noch einige des Drittels der Wahlberechtigten überzeugen können, die nicht gewählt haben und vielleicht auch weitere Stimmen der ‚linksradikaleren‘ bekämen könnten sie die ND übertrumpfen, von der sie nur 2% trennen.

Worum es also geht, ist die Bildung einer wirklich neuen Regierung, die die korrupten Eliten, welche abwechselnd seit 1974 an der Macht waren, ablösen und ein neues Kapitel in der Geschichte des gebeutelten Landes aufschlagen könnte. Zu Griechisch: vielleicht würde es endlich möglich, hier eine Art Demokratie einzurichten, die ja zumindest dem Worte nach (δημοκρατία)aus diesem Lande stammt.

Und deswegen war es wirklich wichtig, dass es genau zu diesem Zeitpunkt Wahlen gab. Ein gewisser Herr Wolfgang S. Aus D. hatte nämlich bis zuletzt versucht Druck auszuüben, damit die Wahlen verschoben werden. Gleichermaßen hauen der IMF und die EZB ihre Propaganda-Maschinen an und verkünden den Untergang, ja die absolute Apokalypse, wenn in Griechenland endlich eine linke Regierung an die Macht kommen würde.

Die Konservativen hier, stehen dem nichts nach, wenn sie in den öffentlichen Kanälen Lügen streuen und behaupten, Alexis Tsipras, der Chef von SYRIZA (und Chefs sind hier wichtig) würde aus der EU austreten wollen, was keineswegs der Fall ist. Im Gegenteil, in Griechenland geht es gerade auch um die EU – eine andere EU, eine der Bürger.

Aber wie immer muss das Fazit bleiben: Alles nicht zu ernst nehmen, sich auf wichtige Sachen konzentrieren und verstehen das Demokratie und Wahlen zwei Dinge sind (wie auch Demokratie und Kapitalismus), die eben manchmal miteinander zu tun haben.